Muss eigentlich jede/r das Rad neu erfinden? So fragte ich mich, als ich an die Entwicklung eines „Fernkurs Bibel online“ ging und fragte Anfang des Jahres bei den VertreterInnen biblischer Lehrstühle an katholischen und evangelischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum an:
a) Gibt es bei Ihnen Überlegungen zu einem biblischen Fernkurs?
b) Gibt es an Ihrer Fakultät eLearning-Projekte im biblischen Bereich?
c) Wer wäre gegebenenfalls mein/e AnsprechpartnerIn?
Von den katholischen Fakultäten antworteten ca. 50% (37 von 75 angeschriebenen), bei den evangelischen Fakultäten waren es etwas mehr, nämlich 63% (66 von 104 angeschriebenen). Trotz dieses m. E. guten Rücklaufs war die Bilanz ernüchternd:
a) Fünf Fakultäten bieten elektronisch unterstützte „Bibelkunden“ an: Erlangen, Greifswald, Mainz, Rostock und Wuppertal.
b) In Greifswald gibt es zusätzlich das sog. „Zoomstufenmodell“, das weit über eine klassische Bibelkunde hinausgehen soll.
c) In Bochum baut die evangelisch-theologische Fakultät ein innovatives „Exegese“-Wiki auf, das mit der Zeit zu einer Art „Gelehrtenwerkstatt“ werden soll.
d) Ebenfalls in Bochum gibt es mit BEAT-RUBeL ein katholisches eLearning Projekt, das „Basics zur Exegese des Alten Testaments“ vermitteln soll.
e) In Münster wurde ein interaktiver Lehrgang zu den Methoden bzw. Methodenschritten der historisch-kritischen Exegese entwickelt.
f) In Zürich, wo auch die Lernplattform OLAT entwickelt wurde, gibt es einen Online Grundkurs und Bibelkunde Altes Testament.
g) In Luzern startet am Herbst 2013 ein „Fernstudium Theologie“, zu dem auch die biblischen Fächer gehören.
Abgesehen von der Häufigkeit der Antworten „gibt es bei uns nicht und haben wir auch nicht vor“ – über diejenigen, die erst gar nicht geantwortet haben, muss man nicht spekulieren – zeigt dieses Ergebnis von gerade 10 eLearning-Projekten im biblischen Bereich, dass sich nicht einmal 6% aller biblischen Lehrstühle im deutschsprachigen Raum ernsthaft mit dem Thema eLearning auseinandersetzen.
Dies muss man nun nicht als Spezifikum der Theologie oder gar der Bibelwissenschaft an den Fakultäten sehen. Offensichtlich ist eine anfängliche eLearning-Euphorie – angestoßen und unterstützt durch entsprechende Fördermittel – nach dem Wegbleiben der Förderungen schnell wieder verflogen.
Materialien zu den Vorlesungen (Folien, Dokumente) werden zwar auf entsprechende Lernplattformen hochgeladen, aber damit hat es sich meist auch schon. Dieser Befund trifft sich mit dem, was Petra Rietsch[1] bereits 2002 für die Hochschullehre insgesamt festgestellt hat:
„Die allgemein anerkannten E-Learning-Anwendungen schienen oftmals bereits in Vergessenheit geraten zu sein oder besser gesagt, es waren keine Mittel oder Kapazitäten mehr vorhanden um sich ,damit‘ auch noch auseinander zu setzen. Dann wurden schnell ein paar Schablonen für die Inhalte entworfen, Trainingsunterlagen 1:1 als Lehrmodul ins Netz gestellt usw.“ (S. 98)
Ein anderer Grund für diese Scheu, eLearning-Szenarien für die Hochschullehre weiter zu entwickeln liegt aber sicher auch an der akademischen Lehrer-Zentrierung wie es Lars Charbonnier formuliert hat:
„Ein Grund [für die geringe Verbreitung von eLearning im theologischen Studium; DB] besteht sicherlich darin, dass die nach wie vor stark lehrerzentrierte Lernkultur der Schule m.E. in der akademischen Theologie an der Universität noch viel stärker zu finden ist und oft als grundsätzlich unhinterfragbares Prinzip gilt. Hinzu kommt, wie bei den Lehrerinnen und Lehrern, das dem Web 1.0 entsprechenden Nutzungsverhalten des Internet durch die Lehrenden.“ (S. 2)
Für unseren geplanten „Fernkurs Bibel online“ sind dies klare Warnungen, sich nicht mit zu wenig zufrieden zu geben. Wir werden mit den Menschen weiter im Gespräch bleiben, die im eLearning in Sachen Bibel Innovatives angestoßen haben und miteinander versuchen, diese Ansätze weiter zu entwickeln.
[1] Petra Rietsch, Erfolgsfaktor Multimedia-Didaktik – Drei Beispiele, in: Ulrich Dittler (Hg.), E-Learning, München 2002, S. 83-98.